2013
Erneut ein extremes Hochwasser der Elbe
Wie sich Dresden besser vor Hochwasser schützt
Deichbruch in Gohlis, Sicherheit im Zentrum und schutzlos in Laubegast:
Bei der diesjährigen Elbeflut hat sich der Hochwasserschutz bewährt. Doch die Wassermassen haben sich auch schonungslos ausgebreitet, wo der Schutz fehlt. Jetzt sollen schnell Konsequenzen gezogen werden.
im Osten
Geflucht und geflutet:
Laubegast war und ist schutzlos
Es wurde alles geprüft: Deiche, Schutzmauern und mobile Wände, doch die Anwohner von Laubegast lehnten den Schutz ab. Elbblick war ihnen wichtiger als Sicherheit. So traf es 13.000 Menschen in diesem Gebiet, von denen Tausende hätten geschützt werden können. „Dass es hier keinen Flutschutz gibt, ist fatal. Das sollte dringend überdacht werden“, sagte der Umweltamtschef Christian Korndörfer. „Ich bin aber sicher, das wird sich der Stadtrat nun neu überlegen.“ Die Oberbürgermeisterin Helma Orosz hatte bereits klargestellt, dass das Allgemeinwohl wichtiger sein müsse als der schöne Elbblick für Einzelne. Entlang der Österreicher Straße (Punkt 15 auf der Grafik Flutkarte Dresden-Ost) war eine Schutzanlage vorgesehen, die auch fertig sein könnte. „Wäre die Mauer da, wären erhebliche Teile von Laubegast entlang der Österreicher Straße sicher gewesen.“
Dennoch kämpften Einsatzkräfte um eine Rettung für den Stadtteil, so wurde an der Stelle des fehlenden Damms ein Sandsackverbau errichtet, der aber dem Wasser nicht standhielt und so nicht mehr als ein bisschen Zeit gebracht hat. Besser wirkten die Abgrabungen des Elbvorlands (Punkt 14) auf Hosterwitzer Seite. So musste das Wasserwerk zwar vorübergehend vom Netz gehen, wurde aber anders als 2002 nicht beschädigt. Schutz bis 8,30 Meter brachten Sandsäcke für die Kirche Maria am Wasser. „Der Objektschutz ist sinnvoll. Die Kirche ist zwar dann doch nass geworden, aber nicht verschlammt“, sagt Korndörfer.
Kritik kam am rechtselbischen Bereich von Anwohnern, weil ihre Häuser ohne große Schutzaktionen „aufgegeben“ wurden. Doch hier sieht der Schutzplan klar vor, dass Flächenschutz vor Objektschutz geht. Bei der absehbaren Höhe der Elbeflut hätten Sandsäcke oder Ähnliches nur Zeit, aber nicht mehr Schutz gebracht, heißt es von den Experten. Anwohner wünschen sich auch hier Überprüfung und mehr Information. Auch der Ausfall des Telefonnetzes in Pillnitz und das Fließverhalten des Wassers soll geprüft werden.
Auf Wasser gebaut: Umstrittene Wohngebiete
Es wird wohl eine der intensivsten Debatten nach dem Aufräumen werden: Hätte man nach 2002 überhaupt die Wohngebiete am alten Elbarm bauen dürfen? Die Helfer haben hier alles versucht, so etwa mit Sandsackwällen an der Villacher Siedlung an der Leubener Straße oder eben an der Berthold-Haupt-Straße (Punkt 16). Doch diese Dämme haben nur zum Teil Schaden begrenzt. So ist es an der Villacher Siedlung geglückt, in der Siedlung am Alten Elbarm konnte die Flutung nicht voll verhindert werden. Hier kam auch Grundwasser noch dazu. Neben Dämmen kamen noch große Pumpen zum Einsatz, doch das Wasser drückte immer wieder hinein in das gefährdete Gebiet, in dem die Häuser den Experten zufolge phasenweise tiefer lagen als der Elbscheitel. Aus diesen Erfahrungen gilt es nun für noch nicht realisierte Bauvorhaben in dem Gebiet des alten Elbarms zu lernen, denn er ist Flutungsgebiet und Anwohner nicht vollständig zu schützen.
Eine positive Erfahrung waren die Sandsackwälle an den so wichtigen Pumpwerken an der Meußlitzer und der Weitlingstraße (Punkt 17). Sie haben größere Schäden an den Anlagen verhindert. Beide Pumpwerke entlasten die Abwasserkanäle vom Druck und sind zum Schutz des Gebiets sehr wichtig. Auch hier wird untersucht, diese Anlagen in den Hochwasserschutzplan mit aufzunehmen. Feuerwehrchef Andreas Rümpel schlägt vor, den Verlauf der Anlagen auf der Fahrbahn für den Notfall zu markieren.
Gehalten: Die Altstadt ist sicher und hatte auch Glück
Der größte Erfolg ist die trockene Altstadt. Alle nach 2002 neu errichteten Schutzmaßnahmen zwischen Marienbrücke und Albertbrücke haben funktioniert. So bestanden die zwei Fluttore an der Yenidze und dem Kongresszentrum den Härtetest genauso wie die Flutmauern (Punkt 11) entlang des Terrassenufers. Die mobilen Wände, die die Durchfahrten unter der Brühlschen Terrasse zur Brühlschen Gasse und zur Münzgasse schützten, werden nun wohl erneuert werden müssen. Hier sind etliche der Metallbaken unter dem Wasserdruck eingedrückt worden, auch wenn sie den Neumarkt doch geschützt haben. Kritisch war die Lage am Terrassenufer zwischen Steinstraße und Albertbrücke. Zum Schutz der Wohngebiete wurden die Zufahrtsstraßen wie die Rietschelstraße mit Sandsäcken versperrt. Neu war aber der Sandsackdamm (Punkt 12) in erster Schutzlinie direkt am Terrassenufer. Aber der Verbau hielt und soll in den Schutzplan aufgenommen werden. Glücklich für das Zentrum war aber, dass die Weißeritz im ausgebauten Flussbett blieb. Der Große Garten (Punkt 13) wurde zum Schutz der Johannstadt mit dem Kaitzbach geflutet.
Gebangt: Der Kampf ums Klärwerk
Umweltamtschef Christian Korndörfer stellt klar: „Die Kläranlage Kaditz ist entscheidend für den Flutschutz und die Abwasserentsorgung. Sie darf auf keinen Fall ausfallen.“ 13.000 Liter Ab- und Regenwasser werden im Hochwasserfall durch gewaltige Pumpen aus den Kanälen der Stadt geholt, sodass anders als 2002 keine Gullydeckel herausgepresst wurden und kein Abwasser auf die Straßen lief. Deren Betrieb wurde doppelt gesichert. Erstens durch die Kaditzer Flutrinne (Punkt 7), wo der Damm zwar noch nicht fertig ist, die aber haarscharf nicht übergeschwappt ist. Der letzte Abschnitt des Schutzes ist noch im Bau. Hier war es knapp. Zudem verblieb dieses Wasser der Flutrinne in der Elbe, was sich 2002 in das Hinterland ausbreitete. Die Wohngebiete waren so sicher, aber die Auswirkungen für die Gebiete elbabwärts müssen nun untersucht werden.
Noch kritischer war die Situation direkt an der Elbe. An der Scharfenberger Straße sicherte ein Sandsackwall als zweite Schutzlinie den durchweichten Deich (Punkt . Die Kläranlage wurde zusätzlich durch ein mobiles Schutzsystem, die Aqua Barrier, geschützt, das aber laut Korndörfer nicht mehr wirken musste. Die Anlage wird von der Stadtentwässerung selbst bereitgehalten und sichert den Betrieb der Kläranlage.
Gebangt wurde auch an der Leipziger Straße (Punkt 9), wo der wohl größte jemals in Dresden errichtete Sandsackverbau der Flut trotzte. 7.000 Tonnen Sandsäcke wurden hier von Hunderten Helfern und den Spezialisten der Hamburger Feuerwehr verbaut. Damit schloss sich die Schutzlinie nach Pieschen, wo eine Flutmauer samt mobilen Flutwänden ihren Zweck sicher erfüllt hat. Klar ist hier aber auch, dass die Pläne für die Hafencity überdacht werden müssen. Möglicherweise steht das exklusive Wohnbauprojekt an der Elbe vor dem Aus.
Ein großer Erfolg ist die Flutrinne an der Ostrahalbinsel (Punkt 10) . „Hier haben wir nach 2002 eine alte Eisenbahnbrücke und die zerstörte und widerrechtlich gebaute alte Eishalle abgerissen und somit die Flutrinne von Hindernissen befreit“, sagt Umweltamtschef Korndörfer. So sei die Elbe deutlich stärker entlastet worden.
Verplant, verstritten, verklagt: Gohlis ging zum dritten Mal unter
Dreimal Land unter in elf Jahren: 2002, 2006 und 2013 stand die Elbe in Gohlis und Cossebaude in den Häusern, weil der Flutschutz nicht fertig ist. Nach 2002 hatten in dem Gebiet wohnende hochrangige Politiker, die selbst von der Flut betroffen waren, immer Umplanungen von den Bauexperten der Landestalsperrenverwaltung für den Wall zwischen dem Stausee und der Autobahn gefordert. (Punkt 1 auf der Grafik Flutkarte Dresden-West) So wurde der rote Abschnitt bis heute nicht gebaut und hat aus Expertensicht auch nicht die optimale Schutzlinie. Diese könnte vom Stausee bis zur Gohliser Straße viel dichter an die Bundesstraße 6 gelegt werden, sodass mehr Freifläche überflutet werden kann. Das sollte nun neu geprüft werden, bevor der Abschnitt begonnen wird. Auch langwierige Anwohnerklagen bremsten den Bau.
Erst nachdem das Wasser wieder weg war, wurde klar, warum im Cossebauder Wohngebiet an den Winkelwiesen gegenüber dem Stauseebad die Keller vollliefen: Ein uraltes Rohr, das keiner mehr kannte, hat eine Verbindung zum Lotzebach geschaffen und das eigentlich auch bei mehr als 9 Metern noch laufende Pumpwerk lahmgelegt. Das Rohr soll entfernt oder verfüllt werden. Der Sandsackwall am Stauseebad (Punkt 2) verhinderte, dass noch mehr Wasser über die B6 lief.
Am Grünen Weg (Punkt 3) brach der Deich zuerst, hier ist genau die Baustellenlinie, wo der neu gebaute Deich von der Autobahnauffahrt Altstadt endet. Doch auch ein vom Deich (Punkt 5) schon geschützter Abschnitt von Gohlis musste aufgegeben werden, weil dort kein stabiler Sandsack-Querdamm möglich war. Erst in Altstetzsch wurde dieser errichtet, sodass hinter den neuen Deich (Punkt 6) dann kein Wasser mehr lief. |